Um in der Entwicklungszusammenarbeit Bauprojekte erfolgreich und nachhaltig umsetzen zu können, bedarf es Wissen und Erfahrung in deren Umsetzung. Fehlt dieses und das Bewusstsein für Barrieren und Hindernisse auf dem Weg zu einem erfolgreichen Projekt und auch danach, so können die getätigten Investitionen zumeist nicht ihre beabsichtigte Wirkung erzielen und verbrauchen mehr finanzielle, energetische und stoffliche Ressourcen als nötig ist – oder stellen im schlimmsten Fall gar eine ernsthafte Gefahr für ihre NutzerInnen dar (z.B. Statik, Standards für Erdbebensicheres Bauen).
In Folge zunehmender Umweltkatastrophen und Krisen werden in der Entwicklungszusammenarbeit und der Katastrophenhilfe jährlich Bauprojekte mit Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro realisiert. Bauherren sind nicht nur Regierungsorganisationen (ROs), sondern insbesondere auch Nicht-Regierungsorganisationen (NROs), die Projekte spenden- und/oder steuerfinanziert umsetzen. Neben den großen etablierten Organisationen gibt es auch immer mehr kleine, die sich vor Ort engagieren und im Rahmen dieser Arbeit auch Bauprojekte finanzieren oder sogar selbst realisieren. Nachhaltigkeit sollte dabei eine übergeordnete Rolle spielen, denn Bauprojekte sind besonders kosten- und ressourcenintensiv, und haben vielfältige Auswirkungen auf soziale Gefüge Vorort. Die in diesem Rahmen erforderlichen spezifischen Kenntnisse nachhaltiger Planung und Architektur sowie Möglichkeiten zur Kooperation mit kompetenten ExpertInnen fehlen jedoch oft – in großen ebenso wie in kleinen Organisationen.
In Katastrophenfällen wie dem Tsunami 2004 oder dem verheerenden Erdbeben 2010 auf Haiti oder dem aktuellen Erdbeben in Nepal strömen in kürzester Zeit Milliarden Euro an Hilfsgeldern und mit ihnen hunderte bis tausende NROs und ROs in das betroffene Land. So arbeiteten Schätzungen zufolge Anfang 2010 zeitgleich zwischen dreitausend und zehntausend NROs auf Haiti [1]. Ein riesiger Stab an internationalen und lokalen MitarbeiterInnen machte sich zunächst an die Versorgung der Katastrophenopfer und dann an den Wiederaufbau des Landes. Neben den großen etablierten Organisationen wie der GIZ, der Caritas und der Welthungerhilfe waren viele kleine NROs aktiv, die oft zum ersten Mal ein Projekt in einem Entwicklungsland durchführten. Die Qualität der Projekte und ihre Nachhaltigkeit unterschieden sich dabei deutlich. Die Ursache für mangelhafte und wenig nachhaltige Projekte wird hauptsächlich in einem Mangel an kontextbezogenen Fachkompetenzen in Verbindung mit einem mangelnden Wissenstransfer gesehen:
So konstatiert die Wirtschaftswissenschaftlerin Esther Duflo in einem Interview mit der Zeit Wissen Redaktion [2] ebenso wie die Journalistin Linda Polman in Ihrem Buch „Die Mitleidsindustrie“ (2010) [3] einen mangelnden Wissenstransfer sowie eine fehlende Qualitätskontrolle von Projekten in Entwicklungs- und Krisenregionen als Hauptgründe für mangelhafte und wenig nachhaltige Projekte. Auch die Praxiserfahrung zeigt, dass viele Organisationen auf ihre eigene Weise arbeiten. Oft gibt es nur eingeschränkten konstruktiven Wissensaustausch zwischen den Organisationen, aber auch innerhalb der Organisationen geht viel Wissen verloren: Ein Bericht über den von der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes und roten Halbmonds (IFRC) geleiteten Shelter-Clusters auf Haiti nennt den hohen Mitarbeiterwechsel als eines der größten Hindernisse zur erfolgreichen Umsetzung [4]. Dieser erschwert zum einen stabile Beziehungen zu lokalen Partnern, zum anderen den Wissenstransfer innerhalb der Organisationen deutlich. Zudem fehlt oft Fachpersonal mit Wissen über nachhaltiges Bauen und den damit verbundenen Herausforderungen: Im Kontext des jeweiligen Landes müssen komplexe Planungs- und Bauprozesse organisiert und durchgeführt werden. Dafür muss zum einen der Bedarf richtig erkannt und zum anderen das Projekt effektiv und effizient geleitet werden. Hierzu sind neben Projektmanagement-Kompetenzen insbesondere kontextbezogene Fachkompetenzen zur Bedarfs- und Umsetzungsplanung notwendig.
Ziel des runden Tischs ist es daher, eine Plattform für einen organisationsübergreifenden und interdisziplinären Wissensaustausch und -vermittlung zu bieten, um Kompetenzen zu nachhaltigem Bauen aufzubauen bzw. zu erweitern. Dabei soll außerdem vorhandenes Wissen aus der Praxis gesammelt, reflektiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Weitere Informations- und Bildungsbedarfe sollen eruiert und auf Basis eines entstehenden Netzwerkes mit Kooperationsprojekten und weiteren Kompetenzbildungsmaßnahmen bedient werden.
Quellen_
[1] Kristoff, Madeline; Paneralli, Liz (2010): Haiti: A Republic of NGOs? Verfügbar: http://haiti.cridlac.org/XML/eng/doc18823/doc18823-contenido.pdf (Letzter Zugriff: 05.01.2015).
[2] Rauner, Max (2011): Intuition hilft nicht. In: Zeit Wissen, Nr. 5, S. 30 – 33, 2011.
[3] Polman, Linda (2010): Die Mitleidsindustrie. Frankfurt am Main, 2010.
[4] Davidson, Sara (2011): A review of the IFRC led Sheltercluster. 2011.